"Nüchtern gut leben - Die Heldenreise der Abstinenz"

 Abstinenz, Nüchternheit –  eine Heldenreise?

(Lange  erste Ausführung des TROCKENPRESSEARTIKELS aus 2021)

 

 

Viele erkennen diese Verbindung nicht. Überhaupt, der Begriff Heldenreise, „Held“, hat der wirklich etwas mit Sucht zu tun?

 

Für mich als Suchttherapeuten, der einige Jahre einen männerspezifischen Blickwinkel entwickelt hat, erschloss sich die Perspektive der Heldenreise aus einem Männerprojekt, das ich als Fortbildung über 15 Monate 2006 - 2008 im Westerwald absolvierte. Mein ehemaliger Klinikleiter und Chef, Rainer Koch-Möhr (heute Rainer Koch) hatte sie mir empfohlen, als ich noch einmal eine größere Fortbildung machen wollte. Ich hatte 2006 als Gruppentherapeut in der Fachklinik Flammersfeld angefangen. Die Arbeit mit oft durch Kriminalität geprägten drogenabhängigen Männern, 80-90% mit §35 aus der Haft direkt in die Therapie gekommen, forderte neue Qualitäten als Therapeut, die ich mir mit der Zeit aneignen durfte. Bis dahin war ich vor allem durch das 12-Schritte Programm und das Bad Herrenalber Umfeld therapeutisch geprägt.

 

Jahre später, mittlerweile schon einige Jahre in einer etablierten Suchtklinik in Bad Essen tätig, u.a. mit Schwerpunkt Trauma und Sucht („Sicherheit finden“ für Männer) begann ich eine eigene Idee umzusetzen, zunächst als Indikativgruppenkonzept: „Nüchtern gut leben“. Daraus wurde schließlich „Nüchtern gut leben – Die Heldenreise der Abstinenz“.

 

 

 

„Abstinent leben“ – ist das gutes Leben?

 

 

 

Die Frage stellen sich viele Patienten in der Therapie.

 

Am Beginn ihres Weges in die mögliche Abstinenz.

 

Ich habe viele abstinente Süchtige kennen gelernt.

 

Und viele – nicht alle! – strahlten eine Zufriedenheit und eine Würde aus, ein gewisses „Etwas“, dass mir Anlass gab, mit großem Respekt Ihr Leben und die Bewältigung ihrer Abstinenz zu betrachten.

 

Abstinenz ist für einen Süchtigen nicht selbstverständlich. Viele schaffen es nicht.

 

Im Angesicht dieser Gefahr die notwendigen Schritte zu tun, bedarf Mut, insbesondere Demut, Bereitschaft und Konsequenz.... und vieles mehr.

 

Viele Suchtkranke scheitern, weil sie den Weg der Abstinenz und auch sich selbst unter- oder überschätzen.

 

Mit gutem Willen allein ist es nicht getan. Auch nicht mit der Haltung, "ich gehe jetzt in eine Klinik" und das einfache Mitmachen des Therapieprogramms reiche.

 

Der Weg in die Abstinenz erfordert konsequente Auseinandersetzung mit der Realität - zunehmend nüchterne Auseinandersetzung – und ihre Bewältigung.

 

Die Wege in die Abstinenz mögen für jeden unterschiedlich sein. Eines sind sie nicht - selbstverständlich. Darum - und noch aus weiteren Gründen – trifft für die Abstinenz meines Erachtens der Begriff  Heldenreise. Jeder abstinente Suchtkranke hat meines Erachtens allen Grund stolz zu sein, sich seiner Würde über die erreichte Abstinenz gewiss zu sein. Und verdient Respekt dafür. Das möchte ich mit dem Titel „Heldenreise“ ausdrücken.

 

 

 

Respekt und Würde

 

 

 

Heldenreise ist ein Begriff, der den Weg beim Ausstieg aus der Sucht würdigt. Und der die erreichte Abstinenz würdigt und stärkt. So wie der Suchtkranke die Würdigung, den Respekt von Anderen, aber auch vor allem von sich selbst braucht. Und er benötigt auch den Respekt vor der Sucht und den Herausforderungen, die sich stellen beim Weg in die Unabhängigkeit.

 

Heldenreise macht bewusst, dass es um die Meisterung von Herausforderungen geht. Mit diesem Bild wird eine andere Sprache gesprochen, als im weit verbreiteten Helferjargon, der die Krankheit und die Störung des Suchtkranken in den Mittelpunkt stellt … und oft genug aus einem Standpunkt von oben nach unten retten und behandeln will.  

 

 

 

Keine Krankheit beschädigt die Würde und den Selbstwert so, wie die Sucht. Keine Krankheit erzeugt so viel Scham, weil es peinlich ist, sich nicht beherrschen zu können, weil man die Kontrolle im Umgang mit Suchtmitteln und mit sich selbst verloren hat und oft genug Dinge tut, die man vom Wesen nicht tun will oder wollte. Da ist mitleidiger, unangemessen kontrollierender oder sonstwie herablassender Umgang mit Suchtkranken oft genug das Gegenteil von hilfreich. „Gut gemeint“ ist eben oft genug das Gegenteil von gut.

 

 

 

„Heldenreise der Abstinenz“ ist ein Begriff, der sich um einen anderen Umgang mit der Sucht bemüht. Und Heldenreise ist ein Konzept, das in vielen Zusammenhängen genutzt wird, um Veränderungs- und Reifungsprozesse darzustellen und Orientierung zu geben, sowie für die eigene Entwicklung zu nutzen, ob in der Psychotherapie, Selbsterfahrung oder dem Managementseminar. 

 

 

 

Conny Vry

 

 

 

Conny Vry, ein 2015 85 Jahre alter, langjährig trockener Alkoholiker und Therapeut in der Paracelsus-Wiehengebirgsklinik Bad Essen, war ein Praktiker, der Klartext reden konnte. Mit Phasen von Krankheit und Beeinträchtigung kam er bis Mai 2015 noch fast jede Woche in die Klinik um aus der Praxis abstinenter Lebensbewältigung zu berichten. Und: er gewann „Fans“ und stieß auf Kritik bei anderen Patienten, denen seine klare Sprache zu hart war. Als ich ihm zum Abschied eine Karte schrieb, fasste ich zum Schluss sinngemäß so zusammen, was für mich seine Faszination und Wirkung ausmachte: „Conny, Du hast den Patienten vermittelt, dass man abstinent gut leben kann, auch wenn nicht immer alles gut ist.“

 

Aus dieser Formulierung entstand schließlich der Titel für eine Indikationsgruppe, die ich übergangsweise in der Klinik anbieten sollte: „Nüchtern gut leben“. Ich bekam Freiheit, sie zu gestalten und parallel zur Auseinandersetzung mit privaten, besonderen Ereignissen  entwickelte ich einige Ideen, welche Themen in eine praxisnahe Gruppe zur Abstinenzbewältigung hineingehören. Daraus wurde schließlich ein Rohkonzept, dass ich später unter dem Titel „Nüchtern gut leben-Die Heldenreise der Abstinenz“ zusammenfasste und in der Barbarossa-Klinik-Kelbra mit viel positiver Resonanz in der therapeutischen Praxis umsetzte.

 

Spiritualität der Unvollkommenheit

 

Persönlich habe ich den Anonymen Alkoholikern, dem 12-Schritte Programm viel zu verdanken. Es inspirierte mich und half mir in ganz unterschiedlichen Lebensphasen, nachdem 1987, ausgelöst durch Psychotherapie,  mein altes Lebenskonzept durcheinandergewirbelt wurde. Ich ging auf meine „Heldenreise“. Eine Beschreibung für den Genesungsweg, der so schön deutlich macht, dass es bei Heilung nicht um schmerzstillende Pflaster und Beruhigungspillen geht (- und alles ist wieder gut…), sondern um Herausforderungen, Erkundung, Begegnungen. In den 12-Schritte-Gruppen stieß ich auf den Begriff der „Two-Stepper“ (Zwei Stufen/Schritte gehende). Hier die Kapitulation/Annahme der Ohnmacht, dort die Erleuchtung und das helfende Weitergeben/ für manche ist es auch „Missionieren“: „Ich weiß jetzt was los ist und meine Lösung ist gut für Andere“. Doch es ist ein 12-Schritte Programm, was ebenfalls eine „Heldenreise“ ist. So begegnete ich mancher Freude und Euphorie, wenn ich wieder auf neue Blickwinkel und Bausteine auf dem Weg von Genesung und Sinnsuche stieß. Auch ich kenne die Begeisterung über eine Erkenntnis und den Wunsch, „zu missionieren“.  Doch es ist nur eine Etappe auf dem Weg – Unvollkommenheit bleibt. Das zu erkennen und zu akzeptieren scheint mir schließlich ein zentraler Aspekt des Weges. Kurtz/Ketcham haben den Begriff der „Spiritualität der Unvollkommenheit“ bekannt gemacht.

 

Conny Vry lebte für mich „Nüchternheit“ vor. Und: von ihm ging eine Faszination, eine freudige Ausstrahlung aus. Er hatte jedoch „Scheiße gefressen“, einiges durchgestanden, Unvollkommenheit integrieren müssen: ich wusste von einigen Krankheiten/Operationen, die er im hohen Alter durchzustehen hatte. Aber er nahm sie an und als er aufgrund seiner schwindenden Sehkraft nicht mehr persönlich in die Klinik fahren konnte, ließ er sich von seiner Frau fahren und berichtete weiter mit der ihm eigenen Lebendigkeit und Begeisterung für ein abstinentes Leben, dass auch getragen war von einer spirituellen – christlichen Grundhaltung.

 

Erfüllte Abstinenz

 

Nüchternheit und gutes Leben  finden also durchaus zusammen. Ich kannte es von vielen trockenen, cleanen Süchtigen, nicht immer, aber sehr oft.  Für viele Suchtkranke in der Entwöhnungsbehandlung, an der Schwelle vom alten, aussichtslosen, zunehmend leidvollen Leben mit Suchtmitteln zu einem möglichen neuen Leben in der Abstinenz scheint das oft nicht möglich. Abstinenz wird als Verzicht, als Ende alten, genussvollen Lebens gesehen. Als schambesetzte Unfähigkeit „normalen“ Lebens mit Alkohol und Stoff. Und die Schritte in die Abstinenz werden als Zumutung, Kränkung, Überforderung erlebt. Und für viele abstinente Süchtige, die ich kennenlernen durfte, schien ein frohes, lebendiges Leben gar nicht so einfach. Sicher zum Teil, weil die jahrelange Sucht Schäden auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene – Narben hinterlassen hat.  Weil  vielleicht auch festgehalten wird am Erfolg der Abstinenz  und weitere Schritte der Genesung nicht weiter gegangen werden.  Oft lese ich vom Kampf mit der Sucht. Manche Facebookseite und auch öffentliche Suchtprävention warnt vor den schlimmen Folgen von Suchtmitteln und klärt darüber auf.  Als wenn die Warnung vor Gefahr abschrecken würde! Was ist, wenn die Suche nach Risiko, der Wunsch, Gefährliches zu erleben und sich als vielleicht unverwundbar zu erproben und zu beweisen gerade charakteristisch sind für viele, die in die Sucht geraten? Was ist, wenn ein „narzisstisches Größenselbst“ mit der Haltung lebt „Mich kriegt keiner!“ ? 2020 erlebte ich eine Suchtverlaufsarbeit mit einem einst erfolgreichen Drogendealer, die auf genau dieses Muster hinauslief, so wie sich gerade im Februar 2021 auch ein 14-jähriger Drogendealer in der Suchtberatung so präsentierte.  Wenige Jahre Cannabiskonsum fördern Größenwahn und Realitätsverzerrung immens.

 

So wie Conny Vry als 85jähriger ein plastisches Beispiel für gutes, nüchternes  Leben ist, erkannte ich auch für mich auf meiner lebenslangen Reise, dass Nüchternheit etwas sehr erstrebenswertes ist und: Nüchternheit ist durchaus lebendig und hat viele Facetten. Zum Beispiel gehört Freude, vielleicht sogar Euphorie, auf jeden Fall auch Ekstase – „gesunde Verrücktheit“ angesichts besonderer Erfahrungen zu einem nüchternen Leben dazu, wie auch Schmerz, Leid und Ohnmacht. Wenn wir diese Gefühle ohne Suchtmittel in einem sicheren Rahmen. in unseren individuellen, realistischen Grenzen  leben, haben wir ein erfülltes Leben. Ein erfülltes Leben, das nichts vermeiden muss und nicht alles haben muss.  Da werden schmerzhafte Erfahrungen unter einer guten Sinngebung zu nützlichen Etappen und normalen Herausforderungen, die gut bewältigt ein Erfolgserlebnis, gar die Erfahrung von Stolz ermöglichen. „Scheißtage gut bewältigt sind gute Tage.“ formulierte ich 2015.

 

Wir sind gefordert, uns Werkzeuge der Bewältigung anzueignen – lebenslang. Nur von Lust und Unlust bestimmte Kinder und Pubertierende erwarten, dass das Leben immer gut sein muss. Nüchternheit ist erwachsenes Handeln und Denken. Unserem Leben eine gute Deutung zu geben, uns Bedeutung zu geben, was immer das Leben uns abverlangt, gibt uns erst den Frieden, den Einklang, das Glück mit dem gut da zu sein, was ist. Und die oberste Priorität von Leben ist Leben. Insofern ist nüchternes Handeln vor allem auch das Handeln, das unserem Leben und dem Leben allgemein dient. Das Überleben ist ein wesentlicher Bestandteil. Die Orientierung darauf, als Erwachsener für Kinder verantwortlich in Liebe da zu sein. Und noch viel mehr. Und leben heißt auch: Lebendig sein!

 

Aus meiner Sicht kann man im Leben nicht immer zufrieden sein, vielleicht muss man es auch gar nicht, erst recht nicht in der Abstinenz. Von daher stehe ich dem Begriff der „Zufriedenen Abstinenz“ eher kritisch gegenüber. Dann werden die unzufriedenen Zeiten nämlich schnell zur Rückfallgefahr und Resignationsfalle. Es gibt jedoch eine „Erfüllte Abstinenz“. Und die beinhaltet so viel mehr.

 

Einschränkungen, Begrenzungen?

 

 Wir alle sind frei innerhalb von Grenzen.   Und wir können uns zusätzliche Freiheit erwerben, wenn wir uns diese bewusst machen.“ (Pierre Boudieu)

 

In diesem Sinne ist „Nüchtern gut leben“ gerade ein Weg der Freiheit. Nüchtern ist eine gelungene Aussöhnung mit den Grenzen, mit Verletzungen und Unvollkommenheit. Mit Scheitern und Schuld. Es entsteht eine enorme innere Freiheit, wenn es kein „Muss“ des Erlebens und Machens mehr gibt. Entscheidend ist das Ziel. Wo gutes Leben in Gefahr ist, vielleicht gar das Leben und Überleben an sich, da gilt es vielleicht auch mal zu kämpfen, auch etwas zu riskieren. Aber gerade da gilt die Maxime des Kriegers: „Kein Kampf, der nicht „NOT“wendig ist! Kämpfen ist keine Spielerei und keine Spielwiese für pubertäres Riskieren guten Lebens. Und vor allem sollte „Kampf“ kein Daueraggregatszustand sein. So mancher Traumatisierte lebt sein Leben in einem Dauerstress, weil er ständig in Habachtstellung ist und gereizt reagieren muss. Auch da wo keine Gefahr mehr ist. Nüchtern gut leben hat immer das Ziel, in Frieden aktiv und erfüllt zu leben – so gut es geht in den Grenzen der Wirklichkeit.

 

 

 

Nüchtern gut leben – ein gangbarer Weg

 

Nüchtern gut leben heißt nicht, alles gutheißen und hinnehmen, sich abfinden. Nüchtern gut leben heißt jedoch, den eigenen „Kompetenzkreis“ immer besser zu erkennen, sich darin aufhalten und Grenzen vorsichtig zu erweitern. Auch die Grenzen des Lebens mit allen Farben der Wirklichkeit.

 

„Nasse“, nicht nüchterne Süchtige sehen meist nur sich selbst (manchmal auch nur den anderen) und nur die eigenen Bedürfnisse. Nüchtern ist, diesen kindlichen Blickwinkel zu verlassen und Ich, Du, Wir (unsere Bindungen, Familie, Freunde, Kollegen, „Andere“ …) sowie ein wesentliches Drittes mit in den Blick zu nehmen: einen Sinn, eine Aufgabe, ein Ziel.  Und nüchtern ist auch, Konflikte zunehmend bewusst wahrzunehmen und um gute Lösungen, um Ausgleich zu ringen. Das alles ist nicht einfach. Das alles geht auch nicht von heute auf morgen. Auch das ist nüchtern: auf schnelle und einfache Lösungen verzichten zu können.

 

Doch zunehmendes Gelingen verspricht gutes Leben. Gutes Leben ist erstrebenswert. Nüchtern gut leben ist ein realistisches, erreichbares Ziel. Und: gleichzeitig ein gangbarer Weg. Vielleicht sogar ein Weg zum Glück – unabhängig von äußeren Bedingungen.  Entscheidend ist: „Nüchtern gut leben ist eine Reise, kein Zustand und kein Sein. Nüchtern gut leben“ ist eine Bewegung, eine lebendige Orientierung im Leben und auf das Leben. „Nüchtern gut leben“ heißt, sein „Sein“ anzunehmen und in ein „Werden“ zu kommen. „Werden als Lebensweg“.

 

In diesem Weg als Suchtkranker Befriedigung, Glück, Sinnstiftung zu finden meint „Erfüllte Abstinenz“ zu finden.

 

Gelassenheit - Innerer Friede

 

Viele Suchtkranke können ihre Scham und ihre Schuldgefühle bezüglich ihrer Abhängigkeit nur schwer hinter sich lassen und leiden darunter. Wie oft ist es Thema in einer Therapie, dass Patienten sagen, meine Sucht geht doch niemanden etwas an.  Die Balance zu finden zwischen „nicht immerzu seine Sucht im Kopf zu haben und darüber reden und nachdenken zu müssen“ und der Verneinung, dem Verheimlichen und Verschweigen seiner Sucht ist eine der Herausforderungen, die auf dem Weg in ein gutes nüchternes Leben zu bewältigen sind. Gelassen zu seiner Abhängigkeit stehen und klar und ohne Umschweife die eigene Haltung und den Umgang mit Alkohol, mit Suchtmitteln zu vertreten ist das Ziel und dann auch die „Frucht“ eines nüchternen Lebens. „Nüchtern gut leben“ heißt, kein Problem mit Alkohol mit Drogen – oder besser ohne Alkohol, ohne Drogen zu haben. Denn warum sollte es ein Problem sein, keinen Alkohol zu trinken, keine Drogen zu nehmen? Dass es für einen Suchtkranken nicht leicht ist, kein Problem mehr mit seinen Suchtmitteln zu haben, ist keine Frage. Viele stellen Ihr Thema mit Suchtmitteln ja auch anfangs gern als Problem dar: „Problem mit … Alkohol, Cannabis usw.“ Klar zu benennen, „ich bin Alkoholiker“, „ich bin süchtig“, „Ich bin drogenabhängig“ ist oft schon eine Herausforderung. Gelingt es schließlich, sich klar auszudrücken, wird man immer entspannter.. Warum soll man als Abhängiger ein Problem mit Alkohol haben? Vielleicht kriegen jedoch andere, insbesondere die mit riskantem Suchtmittelkonsum ein Problem, wenn sie auf jemand treffen, der entspannt und zufrieden seine Abhängigkeit klar benennt. Mit dem klaren Bekenntnis zu seiner Sucht entspannt sich vieles und wird leichter. Dann hat er innere Kampf um die Kränkung, abhängig zu sein endlich ein Ende. Dann ist es auch keine Frage mehr, ob man ein „bisschen trinken, konsumieren dürfe. Ein Abhängiger benötigt Abstinenz, um nüchtern gut leben zu können.

 

Soweit ein paar zusammengefasste Gedanken zur Idee, zum Konzept von „Nüchtern gut leben-Die Heldenreise der Abstinenz“. Als Indikationsgruppenkonzept „Männergruppe Nüchtern gut leben –Die Heldenreise der Abstinenz“ hat es sich unter meiner Leitung 2016 -2020 in der Barbarossa-Klinik-Kelbra über vier Jahre mit weitgehend sehr positiver Resonanz bewährt. Als Facebookseite findet die Idee seit März 2017 stetig wachsenden Anklang. Auf einer Homepage habe ich einiges zusammengetragen. Was daraus noch wird, ist aktuell offen. Vielleicht entsteht ja mal die Nachfrage nach einem Vortrag oder Seminar. Ich würde mich freuen.

 

Jürgen Behring, Diplom-Sozialpädagoge/Suchttherapeut (VDR), geb.1958., seit 1.10.2020 tätig in der AH-Suchtberatung/SOMATRiX Drogenberatung Brandenburg an der Havel. www.nuechtern-gut-leben.de, juergenbehring@nuechtern-gut-leben.de .

 

 

 

Der gerettete Süchtige

 

Wenn du einem geretteten Süchtigen begegnest,
da begegnest du einem Helden.

Es lauert in ihm schlafend der Todfeind,
er bleibt behaftet mit seiner Schwäche
und setzt seinen Weg fort
durch die Welt der Rauschunsitten,
in einer Umgebung, die ihn nicht versteht,

in einer Gesellschaft, die sich berechtigt hält,
in jämmerlicher Weise auf ihn herabzuschauen,

als einen Menschen zweiter Klasse,
weil er es wagt,
gegen den Suchtstrom zu schwimmen.

Du sollst wissen:
Er ist Mensch erster Klasse.

 

„Der gerettete Trinker“  von Friedrich von Bodelschwingh ,  überarbeitet für Süchtige (Jürgen Behring)